Für Theater oder Konzertsäle sollen also Abstandsregel und 20m²-Regel gelten, dazu vermutlich noch Maskenpflicht. Wer ernsthaft behauptet, mit diesen Bedingungen Probenarbeit oder gar Aufführungen zu ermöglichen, der hat keine Ahnung von der Realität und den Notwendigkeiten des Theater- oder Konzertbetriebs.
Diese Ahnungslosigkeit offenbart sich schon in der Wortwahl von Vizekanzler und Staatssekretärin. Von „Einzeltrainings“ ist da die Rede „mit der möglichst geringen Anzahl von Trainern und Betreuer*innen“. Das, was da so unbeleckt „Einzeltrainings“ genannt wird, heißt z.B. bei Musikern „Üben“, und das macht sowieso jeder zu Hause; da haben professionelle Musiker auch keine „Trainer“ oder „Betreuer“ dabei, das können sie alleine. Was hingegen dringend nötig wäre, das sind die gemeinsamen Proben, egal ob in kleinster Kammermusikbesetzung oder im Orchester. Und das geht wiederum nicht mit „Abstand“ und schon gar nicht mit Maske, einfach weil man nicht genug Luft bekommt, denn ein Musikinstrument zu spielen ist auch – darin durchaus mit Sport zu vergleichen – anstrengende körperliche Arbeit.
Die Ahnungslosigkeit setzt sich fort und treibt noch manch schöne Blüte: So gelten Blasinstrumente als besonders gefährlich, da anscheinend bei gewissen Politikern die Vorstellung existiert, ein Blasinstrument würde so funktionieren wie ein Blasrohr, wo dann vorne die Giftpfeile herausschießen.
Auch Sänger und Schauspieler sind ja wahre Virenschleudern. Chöre gehen also gar nicht. Da müsste man den Sicherheitsabstand wenigstens auf die schon für Jogger angeratenen 10 Meter erhöhen, auch eine Art Hunde-Schutzkragen könnte Abhilfe schaffen. (Erstaunlich, dass dieser geniale Vorschlag nicht schon von den zuständigen Politikern gekommen ist!)
Man könnte freilich auch Musiker, Sänger oder Schauspieler jeweils unter einen Glassturz stellen, damit sie für andere nicht so ansteckend sind. Einmauern wäre wahrscheinlich übertrieben. Aber so ein Käseglocken-Konzert wäre dann eine schöne Parallele zu den Fantasien gewisser Ischgler Tourismus-Größen, die ja davon träumen, das ganze Skigebiet zu überdachen, um es wetterunabhängig zu machen. So innig wie deren Beziehung zur Natur ist die gewisser Politiker zur Kultur.
Man muss ja als Politiker nichts von Kunst und Kultur verstehen, das ist wirklich eine eigene, ganz andere Welt. Man hätte freilich in der Schule im Musikunterricht besser aufpassen können, man könnte auch gelegentlich mal ein Konzert oder Theater besuchen, man könnte sich kompetente Berater nehmen (allerdings: wie beurteilt man als Ahnungslose/r Kompetenz?), man könnte sich idealerweise sogar ein wenig interessieren für das, was man politisch verwaltet. Andernfalls wäre es besser, man würde die eigene Gesichtsmaske gar nicht abnehmen.
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