Freuet euch, alles wird unmöglich!

Das Ausmaß an Ignoranz, Dummheit und Verachtung, das der Kultur und den Kulturschaffenden entgegengebracht wird, ist bislang einzigartig.

Man ist ja als Kulturschaffender in Österreich gewöhnt, von der Politik nicht gerade mit Aufmerksamkeit und Wertschätzung verwöhnt zu werden. Kulturpolitik beschränkt sich im allgemeinen auf das gönnerhafte Verteilen von Fördergeldern, die selten mehr als Almosen sind, und auf ein paar schöne Worte für die Medien bei Festspieleröffnungen. Vielleicht ist das ja auch ganz gut so, man steckt zwar fest im finanziellen Prekariat, aber behält so wenigstens eine Art moralischer Unabhängigkeit und kommt wohl kaum in Versuchung, sich bei den politisch Mächtigen anzubiedern.

Schon unter der letzten türkis-blauen Regierung wurde das Klima für die Kultur allerdings zusehends rauer, das Desinteresse der Politik an der Kultur immer offensichtlicher. Damals schob man das noch gerne auf den kleineren Koalitionspartner, bei dem es ja schon lange Brauch war, unliebsame Künstler öffentlich zu desavouieren und Fördergelder mit dem Wohlverhalten der Geförderten zu junktimieren. Relativ unbemerkt hatte aber auch die türkise Partie unter ihrem Maturanten-Kanzler, der gerne abwertend von „Kulturverliebten“ spricht, ihr Verhältnis zur Kultur geändert. Gehörte Kultur früher im konservativen Weltbild noch unabdingbar zur Allgemeinbildung dazu und war Zeichen des sozialen Status, so ist sie der jetzigen neo-konservativen, neo-christlichen Führungselite bloß ein unerwünschter, lästiger Dorn im Auge, der nicht in ihren Profit-, Marketing- und Message control-Wahn passt, und dem man deshalb teils mit Verständnislosigkeit, teils mit offener Abscheu gegenüber steht.

Bemerkenswert ist, dass sich auch unter der gegenwärtigen Regierung mit grüner Beteiligung, ja sogar mit einem ressortmäßig zuständigen grünen Minister, dieser Trend fortgesetzt und verstärkt hat. Die Grünen und ihr eigenartiges Verhältnis zur Kultur wären einmal eine eigene Untersuchung wert, hier nur kurz ein paar bezeichnende Personalia: Der Herr Minister selbst sieht nach eigenen Worten die Kultur als Nebenschauplatz, hat offensichtlich wenig Beziehung zur Materie und auch wenig Neigung, sich darauf einzulassen; dann gab es ihm zur Seite eine Staatssekretärin, die gleichermaßen ahnungslos wie hoffnungslos überfordert war; ihre Nachfolgerin, die bezeichnenderweise erst aus einer anderen Partei importiert werden musste, wäre wohl kompetent, hat aber in dieser Regierung nur die Funktion eines Placebos, mit dem die Künstler ruhig gestellt werden sollen.

Insgesamt – und das sei ganz nüchtern und ohne Wehleidigkeit festgestellt – ist das Ausmaß an Ignoranz, Dummheit und Verachtung, das der Kultur und den Kulturschaffenden entgegengebracht wird, bislang einzigartig. Während man vor Corona wenigstens relativ unbehelligt in einer weitgehend funktionierenden Infrastruktur sein Zeug machen konnte, wächst jetzt der Eindruck, dass die Regierung der Kultur am liebsten den Garaus machen möchte, auf dass bestenfalls das bestehen bleibe, was sich für den Tourismus vermarkten lässt.

Die geplanten Maßnahmen rund um den 3. Lockdown sind der vorläufige Gipfel: Da kündigt der Herr Nebenschauplatzminister großspurig an, dass ab dem 18. Jänner wieder Kulturveranstaltungen möglich sein werden, um im selben Atemzug kundzutun, dass die abendliche Ausgangssperre selbstverständlich weiterhin aufrecht bleiben wird. Das ist wohl an Bösartigkeit kaum zu überbieten. Unter diesen Bedingungen ist es für Theater, Opern- und Konzerthäuser völlig unmöglich, wochentags ein Programm anzubieten, zu dem auch Publikum kommen kann. Kein Veranstalter, keine Bühne kann so, reduziert auf die Wochenenden, sinnvoll, geschweige denn auch nur annähernd kostendeckend arbeiten. Gleichzeitig regt sich der Verdacht, dass es vermutlich keinen Anspruch mehr auf finanzielle Entschädigungen geben wird, weil doch eh gespielt werden darf. So droht ein Großteil der Infrastruktur, also Veranstalter, Veranstaltungsstätten, Agenturen, Technik und vieles mehr, was für einen Kulturbetrieb Voraussetzung ist, unwiederbringlich vor die Hunde zu gehen. Die Künstler naturgemäß auch, aber wir wollen ja nicht jammern. Es muss schon ein wahrhaft diebisches Vergnügen bereiten, sich derart perfide „Lösungen“ auszudenken, die scheinbar alles ermöglichen und in Wahrheit alles verhindern.

Zusätzliche Schikanen, wie weitere Beschränkungen der Besucherzahlen und der Zwang für die „Kulturverliebten“, ein negatives Testergebnis vorweisen zu müssen, um überhaupt eingelassen zu werden, fallen da fast nicht mehr ins Gewicht, werden aber die Lust, auch tatsächlich eine Kulturveranstaltung zu besuchen, sicher nicht fördern. Wer regelmäßig ins Theater oder ins Konzert gehen möchte, muss sich öfter testen lassen, als das Personal in Pflegeheimen.

Angesichts derart unverschämt zur Schau gestellter Ignoranz seitens dieser Regierung erübrigt sich jede Diskussion. Es ist sinnlos, auf die gesellschaftliche, individuelle oder intellektuelle Bedeutung von Kultur hinzuweisen, wenn man es mit Leuten zu tun hat, denen derlei geistige Auseinandersetzung völlig fremd ist. Es ist sinnlos, auf die wirtschaftliche Bedeutung von Kultur zu pochen, auf Umsatzzahlen oder auf den Pull-Effekt für den Tourismus, wenn dem Gegenüber Kultur prinzipiell zuwider ist und man auch nicht die Möglichkeit hat, sich mit großzügigen Spenden Wohlwollen zu erkaufen. Es ist sinnlos, mit der Schönheit und Intensität von Kunst oder Musik zu argumentieren, wenn jemand dieses Erlebnis nicht kennt, nicht an sich heranlässt und somit auch nicht vermisst. Diesen Leuten fehlt nichts, wenn die Kultur stirbt, sie sind und bleiben Banausen.


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