Angst essen Seele auf

Angst und Hilflosigkeit scheinen immer ausschließlicher die bestimmenden Konstanten in der Pandemie-Bekämpfung zu sein. Panik herrscht regierungsseits sowohl vor möglichen wie bereits erfolgten Mutationen des Virus als auch angesichts des eigenen kontinuierlichen Versagens auf allen Ebenen. Weder ist es gelungen, die vulnerablen Gruppen effektiv zu schützen, noch den Schulen oder der Wirtschaft eine Perspektive zu geben, und völlig hilflos und überfordert ist man auch, was das Erstellen und Umsetzen einer Impfstrategie angeht. Das führt leider dazu, dass sich die Verantwortlichen weiter an die einzigen Maßnahmen klammern, die ihnen bis jetzt auch ohne Fantasie und Plan eingefallen sind: Zusperren, Lockdown und wild drauflos Testen. Doch verlieren diese banalen Maßnahmen zunehmend an Wirkung und verursachen immer ärgere Kollateralschäden, so dass die von Anfang an absurden Zielvorgaben („Die Sieben-Tages-Inzidenz muss unter 50 sinken!“) in schier unerreichbare Ferne entschwinden.

Angst scheint auch bei der Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer die Hauptrolle zu spielen, denn im Interview in „Kurier“ vom 23. Jänner 2021 verliert sie kein Wort darüber, dass es inzwischen mehrere wissenschaftliche Studien (ganz aktuell etwa vom Fraunhofer Institut in Goslar) gibt, die eindrucksvoll belegen und begründen, warum etwa bei klassischen Konzerten oder Opernaufführungen ein Infektionsrisiko fürs Publikum nahezu ausgeschlossen werden kann. Mit funktionierender Belüftung und entsprechendem Sitzplatz-Management (Stichwort: Schachbrettmuster) ist auch keine Maskenpflicht nötig, mit Maskenpflicht wäre sogar eine Vollbelegung möglich.

Davon spricht Frau Mayer allerdings nicht, dafür erklärt sie, weshalb in Österreich das Schifahren erlaubt ist. Und sie spricht sich für das „Eintrittstesten“ aus, denn, so Frau Mayer, „ich jedenfalls sitze entspannter im Theater, wenn ich weiß, dass alle anderen Besucher negativ getestet wurden“. Woher die Entspannung kommt, wenn die Testergebnisse 48 Stunden alt sein können, also längst keinerlei Aussagekraft mehr haben, bleibt dahingestellt. Ist die Angst schon so groß und irrational, dass sie mit einem Placebo ruhig gestellt werden muss? Wirkungsvolle Maßnahmen und Sicherheitskonzepte für die Öffnung von Kultureinrichtungen gäbe es ja schon seit dem vergangenen Sommer zur Genüge, die muss man nicht neu erfinden: Wieso plant die Frau Staatssekretärin lieber eine sinnlose und kaum administrierbare Schikane für Besucher und Veranstalter? Nun kann ich ja durchaus nachvollziehen, dass die Pandemie Ängste weckt. Wenn allerdings die Politik in ihren Entscheidungen primär nur mehr von Angst gelenkt ist, wird es problematisch. „Angst essen Seele auf“ heißt ein Film von R. W. Fassbinder; die Seele und wohl auch den Verstand.


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