Allen, die nun manchen Politiker*innen angesichts ihres wiederholten und keineswegs alternativlosen Paktierens mit Rechtsradikalen und Kellernazis Prinzipien- und Rückgratlosigkeit vorwerfen, möchte ich entgegenhalten: Ihr irrt!
Freilich wurde in Wahlkampfzeiten scheinbar Gegenteiliges erzählt, doch was vor der Wahl gespielt wird, ist Theater, ist moralinsaures Getue, ist Illusion. Die wahren Werte offenbaren sich immer erst danach. Gerade deshalb kann ich mit vollster Überzeugung versichern, dass die Geschichte nur wenige Staaten- respektive Provinzenlenker*innen kennt, die mehr Haltung bewiesen hätten! Denn die Haltung dieser Charaktergiganten heißt vor allem: Machterhaltung. Diesem obersten Prinzip wird nötigenfalls alles andere selbstlos geopfert, sogar die sonst so heiß beschworenen christlichen Werte, Ethos und ökonomische Vernunft sowieso.
Hauptsache, die Erbfolge ist gesichert und die eigene Klientel kann weiter angefüttert werden. Hauptsache, es bleibt alles, wie es sein soll. Man kennt sich und man kennt sich aus. Hauptsache, die Geschichte retardiert Richtung 19. Jahrhundert, als die Verhältnisse noch gesittet waren und die Welt in gottgefälliger Ordnung. Selten war Politik so nachvollziehbar und verständlich! Wer also könnte sich größerer Prinzipientreue rühmen?
Es ist diesen sich aufopfernden Volksvertreter*innen wirklich nicht zu verübeln, wenn sie sich so sehr mit dem Gemeinwesen identifizieren, dass sie es als ihr immerwährendes Eigentum betrachten. L’État, c’est eux. Nur die ewigen Neider und Nörgler, die keine Dankbarkeit kennen, stellen ihre Charakterfestigkeit und menschliche Größe in Frage. Dem treuen Untertanen jedoch ist klar: Nie wurde ehrlichere Politik gemacht.
Entdecke mehr von wortgesplitter
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.