„Aufs Gewissen wird g’schissen“: Das, was vor rund zwei Jahren die damalige Kultursprecherin der ÖVP, Frau Maria Großbauer, fröhlich gicksend in die Fernsehkamera sang – freilich in einem anderen Zusammenhang –, passt wahrlich wunderbar auf das gegenwärtige Bild dieser Partei.
Was hat man da im Wahlkampf und auch noch danach nicht an großen Worten von sich gegeben! Herr Kickl wurde von zahlreichen Vertreterinnen und Vertretern der ÖVP vollmundig als „absolutes No-Go“, als „Gefahr für die Demokratie und die Sicherheit“, „brandgefährlich“, „unverantwortlich“ und mehr bezeichnet, und nur einen kurzen Spin später schicken sich die selben Damen und Herren an, dem Möchtegern-Vokaki die Schuhe und vielleicht noch anderes zu lecken.
Nun ist derlei nicht wirklich überraschend, wenn man sich die Historie dieser Partei – von Dollfuß bis Schüssel und Kurz – zu Gemüte führt. So hatten und haben ja auch in jüngerer Zeit ÖVP-Politikerinnen und -Politiker in den Bundesländern von Vorarlberg bis Oberösterreich keinen Genierer, die Blauen in die Landesregierung zu holen und damit salonfähig zu machen. Mit besonders ungustiösen Exemplaren hat sich die niederösterreichische Landeshauptfrau verbrüdert, aber wenn’s um den Machterhalt geht, ist eben auch ein Haufen rechtsextremer Männer mit Hang zu merkwürdigem Liedgut in Ordnung. Die Übereinstimmung sei groß, hieß es, und man muss hinzufügen, dass dies eine Übereinstimmung mit Rassisten, Klimaleugnern, Coronaschwurblern, Impfgegnern, Putinsympathisanten, Neonazis und Hitlergrußzeigern ist. Das endet freilich längst nicht mehr damit, dass sich die Blauen wie bisher so oft aus Unfähigkeit irgendwann selbst in die Luft jagen, sondern vielmehr mit einer Umkehr der Machtverhältnisse: Wenn solches Gesindel offenbar regierungsfähig ist, dann haben auch immer weniger Menschen Bedenken, sie zu wählen. Völlig perplex sieht sich die ehemalige Volkspartei nun überflügelt und in der Rolle des Domestiken. Doch aus Schaden wird man noch lang nicht klug: Lieber geht man mit dem Faschismus ins Bett als sich mit der Sozialdemokratie an einen Tisch zu setzen.
So braucht man auch nicht zu hoffen, dass in den kommenden Verhandlungen und in der darauf folgenden Regierung Themen wie „Europa“, „Menschenrechte“, „Medienfreiheit“ oder „Rechtsstaat“ in der ÖVP einen standhaften Verteidiger finden werden. Sie wird lieber still und brav Erfüllungsgehilfe der faschistischen Machtübernahme sein, andernfalls droht ihr der kleine blaue Führer mit der völligen Marginalisierung. Und irgendwie finden es manche Bürgerliche ja anscheinend auch ganz geil, die Sklavin der Faschisten spielen zu dürfen.
Anstand, Skrupel oder Moral spielen dabei keine Rolle mehr. Ein moralischer Kompass kann nur dort funktionieren, wo es noch soetwas wie ein moralisches Magnetfeld gibt, und das ist hier schon lange erodiert. Also nichts wie rein in die strenge faschistische Kammer, denn wie gesagt: Gewissen? Drauf g’schissen!
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